Willstätter Landmänner beleben die Tradition des Saukopfessens neu

Achtung: Wer Vegetarier, zartbesaitet oder beides ist, liest ab hier BITTE NICHT mehr weiter!!!
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Für alle anderen steht heute eine kulinarische Rarität der Willstätter Landmänner auf dem Speiseplan. Wie's sich für rechte Kerle gehört, kochen die sich nämlich Sauköpfe. So in Eckartsweier eim Sattler Hans im Hof an einem Samstagmorgen. Für Traditionelles sind die Willstätter Landmänner immer zu haben - sei es Weihnachtsbrödle backen, Hanauer Bollesupp kochen oder Sauköpfe essen. Gerade letzteres droht in Vergessenheit zu geraten. Hausschlachten ist kaum noch angesagt. So befeuerten die Willstätter Landmänner einen alten Brauch und Rudolf (Rudel) Lutz am Samstag um 10 Uhr den großen Kessel auf dem Hof des Sattler Hans in Eckartsweier.


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"Das ist Hightech von vor 40 Jahren", lobte Karl Boldt den "Freiluft-Dämpfer". "Darin haben wir früher die Kartoffeln für die Schweine gekocht, als ich noch ein Knäckes war", informiert der Backprofi. Eine Stunde dauert es, bis das Wasser kocht. "Ja, man kann es mit Salz, Zwiebeln, Majoran und Pfeffer würzen, wie's jeder verträgt", sagt "Rudel" aus Nachfrage. "Muss man aber nicht!" Der gelernte Metzer mag's ganz reduziert. Zehn halbierte Schweinsköpfe warteten in einer Kunststoffwanne. Um 11 Uhr wandern sie mit anderen Gaumenfreuden wie Schälripple und Bäckle in den Sud. Jetzt heißt's sich in Geduld üben - etwa zwei Stunden lang.
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Die Zeit lässt sich wunderbar mit ein paar Bierchen und zahlreichen Anekdoten überbrücken. So erfahren einige der Anwesenden zum ersten Mal, dass der Sattler Hans eigentlich Hans Walter heißt. Aber da sich der Opa als Sattler verdingt hat, kam der Hans so zu seinem Spitznamen. Karl Bold unterhält mit schrägen Witzen. Ernst Rieber vom Nachbarhof gegenüber zeigt, wie aus Reisig ein Besen gebunden wird. „Der ist zum Laub fegen ideal.“ Manche Männer schauen kurz bei Sattler Hans Hühnern vorbei. Auch die vom Bürgermeister Marco Steffens versprochenen Schürzen sind Thema. Nur ob diese schon bezahlt sind, lässt die Landmänner rätseln. Immer mehr von ihnen finden sich derweil im historischen Hof des Sattler Hans ein. Zumindest der harte Kern lässt sich blicken – ist ja auch saukalt draußen für eine Freiluftschweinerei.
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Meinhard Müll lässt eine Flasche selbst gebranntes Schlehenfeuer springen. Auch eine Flasche Amer Bière macht die Runde. Gemixt mit Kronenbourg Bier aus Straßburg ein leckerer Aperitif. Die Brezeln und das knackige Holzofenbrot stammten aus der Backstube von Rüdiger Benz. Der Bäcker selbst kann wegen familiären Verpflichtungen nicht dabei sein.
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Langsam weht über den Hof ein aromatischen, Hunger weckendes Düftchen. Aufs Gelingen des Gaumenschmauses stoßen die Landmänner mit dem badischen Tequila an. „Das ist nach einem Rezept einer Odelshofener Landfrau, aber nicht verraten“, grinst Helmut Breithaupt. Sattler Hans trägt inzwischen einen Porzellanstapel aus der guten Stube des 200 Jahre alten Fachwerkhauses auf. "Ah, Hermines Hochzeitsgeschirr mit Goldrand", lästern die bösen Buben.
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Aber Manieren müssen sein beim Hans, auch wenn das Essen auf dem Hänger zerteilt wird. Vor dem haben sich in der Zwischenzeit die Landmänner aufgereiht. Rudel portioniert auf einem großen Holzbrett das butterzart gekochte Fleisch. Der "Schnuffel" ist besonders begehrt, aber auch die Bäckle finden ihre Abnehmer. Salz und extrascharfer Senf stehen auf dem Tisch zum Würzen.
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Gefrässige Stille breitet sich über des Sattlers Hof aus. Den Männern schmeckt es eindeutig. "Rudel hat fein gekocht", witzelt Günter Lutz. Obwohl die Mannen kräftig zulangen, bleibt einiges übrig. „Das schmeckt mit Senf und Bauernbrot auch kalt, empfiehlt Karl Boldt. Doch wohin mit dem Sud? Rudel kippt den Kessel über der Sickergrube vor Sattlers leer stehendem Schweinestall aus. Meinhard Müll gibt Spüli in den Kessel, in dem Rudel frisches Wasser aufkocht. Was rechte Landmänner sind, die spülen nach dem Essen. Darum geht Sattler Hans unter spöttischen Bemerkungen der Kumpels Teller einweichen. „Es wäscht sich sonst halt so schlecht in der Spülmaschine“, weiß der gewiefte Hausmann.
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Karl Boldt hat noch eine Überraschung für die Männer – ein Blech voller frisch gebackenem Butterkuchen. Das muss Hans geahnt oder zumindest geschnuppert haben, wie gerufen erscheint er im Hauseingang mit einer vollen Thermoskanne Kaffee. „So ein Nachtisch ist auch eine feine Tradition!
“, sind sich alle einig.
Übrigens: Das Rezept für Boldts feiner Butterkuchen reiche ich im nächsten Blog-Post nach!!!

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