Historische Stadtführung: Mit Ulrich Richental durch Konstanz

Konstanz_5
Kein angenehmer Zeitgenosse, dafür aber ein genialer Chronist: Ulrich Richental

Er ist Sohn von Beruf, geldgierig, steckt seine Nase überall hinein, und er hält auf Zucht und Ordnung in Konstanz. Also nicht gerade ein Sympathieträger. Dennoch lockt Ulrich Richtental Besucher an, mehr noch: Er beschäftigt, ja fasziniert sie – und das, obwohl er schon seit gut sechs Jahrhunderten tot sein dürfte. Allerdings wird das von Richental selbst vehement bestritten. Er sei nur wegen seiner vielen Gläubiger offiziell verstorben.

Unangenehmer Zeitgenosse, aber genialer Chronist
Sympathie her oder hin: Wenn Henry Gerlach in sein historisches Gewand schlüpft und während einer historischen Stadtführung als Ulrich Richtental vom Konstanzer Konzil und dem Leben in der Stadt zur damaligen Zeit erzählt, sind wir, sein Publikum, mucksmäuschenstill. Zwischenrufe? Gibt’s nicht, würde der Konzilexperte auch nicht dulden. Schließlich ist es seine Zeit, sein mittelalterliches Konstanz, dass er durch seine Schilderungen wieder lebendig werden lässt. Hier in der Altstadt kennt er sich bestens aus, auch wenn vereinzelt historische Bauten moderneren Bausünden weichen mussten. So erbost sich der Chronist über Häuser, deren Treppenhäuser an der Außenfront angebracht sind. „Alles neumodische Sitten, die es zu meiner Zeit nicht gegeben hätte.“

Konstanz_4
Gewagte Attraktion: Weder Kirchen noch Konservative haben der tiefdekolletierten Schönen etwas anhaben können. Die Dame dreht sich seit 23 Jahren nur um sich selbst

Dermaßen bespöttelt er auch die „lächerlichen Beinkleider des Weibsvolks“. Aber lieber das als den Feuertod, den Richtental den Frauen androht, die sich so leicht bekleiden würden wie die Hübschlerin Imperia. „Solche hätten wir verbrannt – mit was? Mit Recht!“ meint Richental inbrünstig. Bewusster Dame wurde übrigens im Konstanzer Hafen ein neun Meter hohes Denkmal gesetzt.

Nur wenig findet Gnade vor seinen Augen
Richental alias Gerlach versteht sein Handwerk, uns ins Mittelalter zurückzuversetzen, als wir durch die engen Gassen der Altstadt schlendern. Zur seiner Zeit war nur die Plattengasse, heute besser bekannt als Wessenbergstraße, gepflastert. „Die festen Wege überall sind eindeutig eine Verbesserung zu früher“, lobt der Chronist ausnahmsweise und freut sich, dass er auf seine hölzernen Unterschuhe, die Trippen, verzichten kann.

Konzil_2
Barbara von Cilli, Frau von König Sigismund, lästert über ihren Gatten

Hinter hohen Mauern verborgen
Dank Richental bleiben uns die vielen historische Bürgerhäuser nicht verborgen, die im Wesentlichen erhalten sind. Wie etwa der Lanzenhof, in dem König Sigismunds Frau zeitweise während des Konzils wohnte. Was für ein Zufall, auch die hohe Dame weilt immer noch unter den Lebenden. Gerlachs Kollegin Ines Stadie verkörpert Barbara von Cilli vortrefflich, die sich vor dem heutigen Sitz der Staatsanwaltschaft an ihren Mann erinnert. Und so manch Unartiges (ständig blank und hinter den Hübschlerinnen her) über den römisch-deutschen König zu erzählen weiß.

Konzil_1
Eine Fischersfrau freut sich über die guten Geschäfte, die ihr die vielen Fremden in Konstanz bescheren

Aber nicht alle von Ulrich Richtentals Bekanntschaften sind von blauem Blut. Eine Fischersfrau freut sich über gute Geschäfte dank der vielen Fremden in der Stadt. Das muss doch begossen werden mit einem Glas „Dreimännerwein“. „Trinkst du davon, dreh dich lieber dreimal im Bett um, sonst brennt er dir eine Loch in den Bauch“, warnt die Gute.

Ein "Ohr" spioniert für Spanien
Zu guter Letzt läuft uns auch Mossén Borra über den Weg, der spanische Hofnarr und Spion des Königs von Aragon. Das „Ohr Spaniens“ hat sich das Vertrauen von König Sigismund erschlichen und darf daher in dessen Schlafgemächern wohnen. So kann er aus erster Hand vom Mordanschlag Herzog Heinrich von Bayern auf Herzog Ludwig von Bayern berichten. „Nur gut, dass dieser überlebt hat“, urteilt Richental. „Anderenfalls wäre das Konzil geplatzt.“

Dafür beendet er unsere Runde „Wir sehen uns zur nächsten Jubiläumsfeier des Konzils. So in 600 Jahren“, entlässt uns der Chronist gönnerhaft in den anbrechenden Abend. „Wenn Ihr das Glück haben solltet, dem Tod von der Schippe zu springen.“

Weitere Termine:
Der Rundgang „Hofnarr, Spion und Richtental“ ist jeweils freitags, 29. April, 13. und 27. Mai, 10. und 24. Juni, 8. und 22. Juli, 5. und 19. August, 2. 16. und 30. September, 14. und 28. Oktober, immer um 17 Uhr.
Dauer: ca. 2 Stunden, Kosten: 18 Euro/Person. Eine Anmeldung ist erforderlich.

Kontakt:
Tourist-Information Konstanz GmbH, Bahnhofplatz 43, D-78462 Konstanz 07531/133030 E-Mail: info@konstanz- tourismus.de
Internet: www.konstanz- tourismus.de

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.